Pathophysiologie
Die exakte Pathogenese der axSpA ist auch heutzutage nicht bekannt, ein komplexes Zusammenspiel aus gut belegten genetischen Faktoren wie der HLA-B27-Positivität und Umwelteinflüssen scheint letztendlich zu einer Stimulation des Immunsystems zu führen [1]. Hierbei könnte neben noch unbekannten Infektionen als Trigger auch das Mikrobiom eine Rolle spielen: Erste Studien konnten eine intestinale Dysbiose bei Patienten mit axSpA im Vergleich zu Gesunden zeigen [7–9], wobei aktuell keine Aussagen über eine Kausalität möglich sind. Auch mechanischer Stress scheint als weiterer Trigger zu einer Enthesitis und Knochenneubildung und damit zu typischen Manifestationen der axSpA zu führen [10]. Weder die pathogenetisch relevanten Immunzellen noch der Signalweg, der letztlich zur Entstehung einer axSpA führt, sind genau bekannt, wenngleich erfolgreiche Therapieoptionen, wie die Blockade von TNF-α und IL-17A, für eine Beteiligung der entsprechenden Moleküle sprechen [11]. Die axSpA umfasst aufgrund der pathogenetischen Beteiligung sowohl von genetischen Prädiktoren als auch externen Einflüssen daher Features von autoimmunen und autoinflammatorischen Erkrankungen.
Diagnosestellung
Die Zeitverzögerung zwischen dem Auftreten von ersten Symptomen und der Diagnosestellung ist mit 5 bis 10 Jahren bei der axSpA eine der größten in der Rheumatologie [12]. Verschiedene Studien legen nahe, dass sich die Diagnoseverzögerung aktuell verkürzt hat [13, 14]; da jedoch Patienten mit längerer Diagnoseverzögerung möglicherweise erst in 10 oder 20 Jahren vorstellig und diagnostiziert werden, benötigt dies eine Validierung [15]. In Deutschland scheint die Diagnoseverzögerung weiterhin rund 6 Jahre zu betragen und hat sich in den letzten 20 Jahren nicht verändert [16]. Um eine frühere Diagnose und somit eine frühere, adäquate Therapie zu ermöglichen, welches bekanntermaßen das Ansprechen verbessert [17], werden aktuell verschiedene Strategien untersucht und entwickelt.
Die Zeitverzögerung bis zur korrekten Diagnosestellung ist bei Frauen länger als bei Männern (7,5 im Vergleich zu 4 Jahren), auch wird bei diesen häufiger eine falsche Diagnose gestellt [18]. Interessanterweise wurden auch Unterschiede zwischen von Patienten selbst berichteten Manifestationen und den von den behandelnden Ärzten dokumentierten Manifestationen festgestellt, wonach Patientinnen häufiger periphere Symptome und männliche Patienten mehr axiale Symptome hätten, was die Autoren als Ausdruck eines Bias hinsichtlich der aus der Literatur stammenden Erwartung der Ärzte sehen. Analysen einer anderen Kohorte zeigten ebenfalls Genderunterschiede in der frühen axSpA, jedoch auch, dass bei beiden Geschlechtern HLA-B27 und Bildgebung wichtige Pfeiler der Diagnosestellung sind und eine genderspezifische Herangehensweise daher nicht erforderlich ist [18].
Die Bildgebung bei Verdacht auf eine axSpA beinhaltet heutzutage häufig auch eine MRT-Untersuchung. Hierbei scheint eine Wiederholung bei negativer MRT außer in Einzelfällen nicht erforderlich zu sein, was eine kürzlich erschienene Studie zeigen konnte [19]. Neben den gut etablierten bildgebenden Methoden werden auch neue Verfahren untersucht. So konnte bei Patienten der französischen DESIR-Kohorte anhand von Power-Doppler-Ultraschall-Untersuchungen der Enthesen bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Rückenschmerzen gezeigt werden, dass zwar eine geringe Prävalenz einer Enthesitis vorliegt, die Untersuchung jedoch eine hohe Spezifität aufweist [20].
Extraartikuläre Manifestationen
Ein weiterer Ansatz, eine frühere Diagnosestellung zu ermöglichen, ist es, Patienten mit bereits vorhandener potenziell extraartikulärer Manifestation, wie einer akuten anterioren Uveitis, einer Psoriasis oder einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, auf das Vorhandensein einer axSpA zu screenen. Hierbei werden entsprechende Tools entwickelt, um es den Ophthalmologen, Dermatologen und Gastroenterologen zu ermöglichen, Patienten mit höherer Wahrscheinlichkeit einer axSpA zum Rheumatologen weiterzuleiten.
Eine akute anteriore Uveitis (AAU) ist die häufigste extraartikuläre Manifestation, die bei einem Viertel der Patienten mit axSpA im Laufe ihrer Erkrankung auftritt [21]. Umgekehrt haben rund 40 % aller Patienten mit einer AAU eine zugrunde liegende axSpA, die häufig noch nicht diagnostiziert ist. Das sogenannte Dublin Uveitis Evaluation Tool (DUET) soll es als Überweisungsstrategie Ophthalmologen ermöglichen, anhand von Fragen nach Rückenschmerzen, Arthritis, Psoriasis und HLA-B27-Positivität diejenigen Patienten mit erhöhter Wahrscheinlichkeit einer axSpA auszuwählen und zur rheumatologischen Abklärung zu überweisen [22]. Eine weitere Studie führte MRT-Untersuchungen der Wirbelsäule und Sakroiliakalgelenke (SIG) bei Patienten mit AAU und chronischen Rückenschmerzen, welche vor dem 45. Lebensjahr begonnen hatten, durch, wobei Patienten mit einer bekannten axSpA ausgeschlossen wurden. Von den Patienten mit chronischen Rückenschmerzen erhielten 23 % die Diagnose einer axSpA [23]. Eine andere Studie untersuchte 50 Patienten mit rezidivierender AAU ohne vorherige rheumatologische Diagnose mittels MRT der SIG [24]. Hiervon erhielten 40 % die Diagnose einer axSpA, 12 % hatten unspezifische Rückenschmerzen und die restlichen 48 % waren asymptomatisch. Von den asymptomatischen Patienten hatten interessanterweise 38 % Veränderungen in MRT und/oder Röntgen, welche die Kriterien einer axSpA erfüllten. Während ca. 10 % aller Patienten mit AS eine Psoriasis haben, variieren die Daten zur axialen Beteiligung bei Patienten mit Psoriasis-Arthritis (PsA) erheblich: Nur 2–5 % der Patienten haben ausschließlich eine axiale Erkrankung, wohingegen zwischen 5 % und 70 % aller PsA-Patienten diese zusätzlich zur peripheren Arthritis zeigen [25]. Hierbei nimmt die Prävalenz mit fortschreitender Erkrankungsdauer zu. Die axiale Beteiligung bei PsA ist schwer zu diagnostizieren, da die Patienten häufig nicht die typischen Rückenschmerzen entzündlichen Charakters haben [26]: 33 % der Patienten mit axialer Beteiligung in der Bildgebung waren asymptomatisch, umgekehrt berichteten auch Patienten über entzündlichen Rückenschmerz, ohne dass eine axiale Beteiligung vorlag [26]. Eine andere Untersuchung auf subklinische Sakroiliitis oder entzündliche spinale Veränderungen mittels MRT-Untersuchungen von Becken und Wirbelsäule von 22 Patienten mit Psoriasis, jedoch ohne klinische Zeichen einer Arthritis oder Synovitis, mit gesunden Kontrollen konnte keine Unterschiede zwischen den Gruppen feststellen [27]. Die Diagnose einer axialen Beteiligung ist von Bedeutung für PsA- und Psoriasis-Patienten, da das Vorhandensein einer axSpA häufig assoziiert ist mit einer schwereren Hautbeteiligung, höherer Krankheitsaktivität und größerem Einfluss auf die Lebensqualität [28].
Auch Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) können muskuloskelettale Manifestationen entwickeln, eine Metaanalyse fand eine Prävalenz der axSpA von 13 % [29]. Die IBSEN-Studie als Kohorte verfolgte prospektiv über 20 Jahre 470 CED-Patienten, von denen fast 50 % chronische Rückenschmerzen hatten, 11,5 % entzündliche Rückenschmerzen und 7,7 % letztlich die Diagnose einer axSpA erhielten [30]. Die Diagnose einer axSpA war hierbei mit einem chronischen Verlauf der CED sowie einer HLA-B27-Positivität assoziiert. Biomarker, die Patienten mit einem erhöhten Risiko einer axSpA identifizieren könnten, wären von großer Hilfe. Eine aktuelle Studie konnte zeigen, dass CED-Patienten mit einer axSpA niedrigere Sclerostin- und höhere Anti-Sclerostin-IgG-Serumlevel hatten, verglichen mit CED-Patienten mit ausschließlich peripherer Arthritis, keiner muskuloskelettalen Manifestation und Kontrollen [31].
Beurteilung der Krankheitsaktivität
Neben dem gut bekannten Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index (BASDAI) [32], der ausschließlich auf den Patientenangaben basiert, hat sich in den letzten Jahren sowohl im klinischen Alltag als auch im Rahmen von klinischen Studien der von der ASAS-Gruppe entwickelte Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score (ASDAS) [33] gut etabliert. Der ASDAS beinhaltet drei Fragen aus dem BASDAI (Rückenschmerzen, periphere Symptome, Morgensteifigkeit), die globale Beurteilung der Krankheitsaktivität durch den Patienten sowie ein objektives Entzündungszeichen: entweder das C-reaktive Protein – CRP (bevorzugt) oder alternativ die Blutsenkungsgeschwindigkeit. Es wurden datenbasiert nicht nur Trennwerte für die Krankheitsaktivität, sondern auch für eine Verbesserung und Verschlechterung des Scores entwickelt. ASDAS wurde als die bevorzugte Methode der Krankheitsaktivitätsbeurteilung bei Patienten mit der axSpA in die aktuellen internationalen Leitlinien (ASAS-EULAR-Empfehlungen [34], Treat-to-Target Empfehlungen für SpA [35]) aufgenommen.
Weitere Informationen sowie verschiedene ASDAS-Rechner (für Computer, Smartphone, aber auch papierbasiert) sind auf der ASAS-Webseite (www.asas-group.org) zu finden.
Big Data
Große Datenbanken bieten wichtige Möglichkeiten für epidemiologische Forschung, gerade auch bei selteneren Erkrankungen wie der axSpA. Dies hat jedoch zur Voraussetzung, dass nur die Patienten mit der tatsächlichen Diagnose einer axSpA ausgewählt und in Analysen eingeschlossen werden. In einer Studie anhand des The Health Improvement Network (THIN) aus dem Vereinigten Königreich zeigte der Algorithmus den höchsten positiven prädiktiven Wert von 89 % für eine ankylosierende Spondylitis, der hierfür zwei AS-Diagnosen zugrunde legte, die mindestens 7 Tage auseinander lagen [36]. Um die heterogenere Gruppe von ax-SpA-Patienten zu identifizieren, wurden anhand von Daten der Veteran Health Affairs 600 Patienten untersucht, wobei der positive prädiktive Wert eines ICD-9-Codes für AS bei 83 %, die Sensitivität jedoch nur bei 57 % lag [37]. Somit besteht die Notwendigkeit der Erstellung eines Algorithmus, um Forschung anhand sogenannter Big Data für die axSpA überhaupt erst zu ermöglichen.