Substanzen zur medikamentösen Migräneprophylaxe

Verbreitet ist der Einsatz von Kombinationspräparaten aus Magnesium, Vitamin B2 und Coenzym Q10 sowie den Einzelsubstanzen, die auch in plazebokontrollierten Studien auf ihre Wirksamkeit zur Migräneprophylaxe hin untersucht wurden.
Im Rahmen einer Off-Label-Behandlung kann bei der zusätzlichen Diagnose einer arteriellen Hypertonie eine Migräneprophylaxe mit Candesartan erfolgen. Wenn ausreichend verträglich, sollte eine Dosierung von 16 mg angestrebt werden, mehrere plazebokontrollierte randomisierte Studien haben gute Effekte von Candesartan nachweisen können.

Monoklonale Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor

Das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) ist ein Neuropeptid, das eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie der Migräne einnimmt, es wird im Migräneanfall vermehrt ausgeschüttet, Triptane hemmen die weitere Ausschüttung. Revolutioniert wurde die Migräneprophylaxe durch Einführung des ersten monoklonalen Antikörpers gegen den CGRP-Rezeptor 2019. Erenumab unterscheidet sich diesbezüglich von den monoklonalen Antikörpern Fremanezumab, Galcanezumab und Eptinezumab, die sich gegen den CGRP direkt richten. Das Nebenwirkungsprofil aller Antikörper ist im Wesentlichen ähnlich. Bei der Verordnung der monoklonalen Antikörper müssen die aktuellen Vorgaben zur Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen beachtet werden.
Die Vorgaben betreffen die zuvor eingesetzten zugelassenen Migräneprophylaxen. Eine Behandlung mit einem der Betablocker (Propranolol oder Metoprolol), mit Amitriptylin, Flunarizin, Topiramat und bei chronischer Migräne mit Onabotulinumtoxin muss erfolglos gewesen sein, zu Nebenwirkungen geführt haben, die zum Absetzen führten, oder kontraindiziert sein (z. B. Flunarizin bei Depression oder Topiramat bei Frauen im gebärfähigen Alter, ohne dass eine sichere Kontrazeption sichergestellt werden kann). Die Vortherapien bzw. Kontraindikationen sollten dokumentiert werden.

Erenumab

Erenumab steht in den Dosierungen 70 mg und 140 mg zur subkutanen Injektion preisgleich zur Verfügung, die Verträglichkeit ist gut, gelegentlich werden Überempfindlichkeitsreaktionen, Blutdruckanstieg sowie Obstipation beobachtet. Daten für Betroffene, die jünger als 18 Jahre sind, liegen bislang nicht vor, in der Schwangerschaft sollte keine Anwendung erfolgen. Die Injektion erfolgt alle 4 Wochen durch den Patienten selbst s.c. mit einem Fertig-Pen.
Der direkte Vergleich von Erenumab und Topiramat zeigte eine überlegene Verträglichkeit von Erenumab mit einer Abbruchrate von nur 10,6 % in der klinischen Studie gegenüber Topiramat mit einer Abbruchrate von 38,9 % in der klinischen Studie. Bezüglich der Wirksamkeit war Erenumab ebenfalls überlegen, mit Topiramat konnten 31 % der Studienteilnehmer ihre Migränehäufigkeit mindestens halbieren, mit Erenumab erreichten dies mit sekundärem Endpunkt 55 % der Studienteilnehmer.

Fremanezumab

Fremanezumab ist in einem Fertig-Pen oder einer Fertigspritze in einer Dosis von 225 mg s.c. erhältlich. Es kann monatlich durch den Patienten selbst injiziert werden oder quartalsweise können 3 Injektionen auf einmal (3 x 225 mg) zum Einsatz kommen. Relevante Wirksamkeitsunterschiede zwischen der monatlichen und der quartalsweisen Gabe von Fremanezumab konnten in Studien nicht gezeigt werden. Daten für Betroffene, die jünger als 18 Jahre sind, liegen bislang nicht vor, in der Schwangerschaft sollte keine Anwendung erfolgen.

Galcanezumab

Galcanezumab richtet sich ebenfalls direkt gegen CGRP. Die Injektion bei Behandlungsbeginn erfolgt mit 2 x 120 mg in Form eines Fertig-Pens, danach wird monatlich ein Fertig-Pen durch den Patienten selbst verabreicht. Daten für Betroffene, die jünger als 18 Jahre sind, liegen bislang nicht vor, in der Schwangerschaft sollte keine Anwendung erfolgen.

Eptinezumab

Auch Eptinezumab richtet sich gegen CGRP direkt, wird jedoch nicht subkutan verabreicht, sondern intravenös. Zur Verfügung stehen die Dosierungen 100 mg und 300 mg, wobei eine bessere Wirksamkeit der höheren Dosierung in den bislang publizierten Studien noch nicht klar erkennbar ist. Daten für Betroffene, die jünger als 18 Jahre sind, liegen bislang nicht vor, in der Schwangerschaft sollte keine Anwendung erfolgen. Bei der intravenösen Therapie mit Eptinezumab sollte beachtet werden, dass dem Infusionssystem ein 0,2-µm-Partikelfilter vorgeschaltet sein muss.

Wechsel von einem monoklonalen Antikörper auf einen anderen (Switch)

Die monoklonalen Antikörper greifen alle in das CGRP-System ein, jedoch scheint es so zu sein, dass sich nicht vorhersagen lässt, welcher Betroffene eher auf den einen und welcher auf den anderen Antikörper gut anspricht. Insbesondere ein Wechsel zwischen CGRP-Wirkmechanismen (CGRP-Rezeptorantikörper versus direkter CGRP-Antikörper) erscheint vielversprechend. In ersten (offenen) Studien wird ein Ansprechen nach vorherigem Nichtansprechen auf einen Antikörper bei 30 % der Migränepatienten nach Wechsel des Antikörpers berichtet. Daten für den 2. oder 3. Wechsel liegen bislang nicht vor. Kombinationen von Migräneprophylaktika sind unzureichend untersucht, dennoch können sie gelegentlich sinnvoll sein, so z. B. die Gabe eines monoklonalen Antikörpers gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor und die zusätzliche Gabe von Amitriptylin, um eine Schlafstörung oder depressive Symptomatik mit zu behandeln. Die Kombination von medikamentösen und nichtmedikamentösen Verfahren zeigt einen deutlich besseren Effekt als eines der Therapieprinzipien allein.

Ziele und Dauer der Migräneprophylaxe

Die Behandlung mit einer medikamentösen Migräneprophylaxe hat das Ziel, die Migräne so weit zu reduzieren, dass der Betroffene Lebensstilmodifikationen und nichtmedikamentöse Verfahren konsequent in den Alltag implementieren kann. Als erfolgreich gilt eine Migräneprophylaxe, wenn es bei einer episodischen Migräne gelingt, die Anzahl der Migränetage mindestens zu halbieren, bei chronischer Migräne kann eine Reduktion um mindestens 30 % bereits als Erfolg gewertet werden. Da es sich bei der Migräne um eine in ihrer Häufigkeit fluktuierende Erkrankung handelt, kann im Verlauf auch ein Auslassversuch der medikamentösen Therapie erwogen werden. Wenn eine gute Kontrolle der Migräneattacken erreicht wurde und die verbliebenen Attacken auf die Akutmedikation gut ansprechen, kann die Dosierung einer oralen Migräneprophylaxe schrittweise reduziert und der Verlauf beobachtet werden. Bei einer Behandlung mit einem monoklonalen Antikörper wird dann ein Auslassversuch unternommen. Bei deutlicher Wiederzunahme der Attackenfrequenz kann die Dosis wieder angepasst werden. Die Behandlung mit einem monoklonalen Antikörper wird im Grunde nach gleichen Kriterien beurteilt. Abhängig vom Schweregrad (das heißt Beeinträchtigung der Lebensqualität und Migränehäufigkeit) kann ein Auslassversuch nach einem oder auch nach 2 Jahren erfolgen. Kommt es beim Absetzen der Migräneprophylaxe wieder zur deutlichen Zunahme der Migränehäufigkeit, kann erneut die Prophylaxe wieder aufgenommen werden.

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